Die Wahl gewonnen, die Intrige verloren
Christliche Kandidaten wurden bei der Wiener Gemeinderatswahl ausgebremst.

Jan Ledóchowski ist ein Hoffnungsträger, an den sich Wiener Christen – auch solche, die von der weltanschaulichen Performance der ÖVP enttäuscht sind – klammern können. Keiner, der ein „Aber“ nachschiebt, nachdem er sich zu seinem Glauben und seiner Kirche bekannt hat. Der redegewandte Katholik, der eine Heilige, eine Selige, einen Jesuitengeneral und einen Märtyrer zu seiner Familie zählt, fand es richtig gut, dass die ÖVP ihn für die Wiener Gemeinderatswahl eher hinten platzierte. Weil er nämlich hoffte, durch die „Vorzugsstimmen“ überzeugter Christen weit nach vorne katapultiert zu werden. Auf Platz 33 hatte die Partei den 37-Jährigen gereiht
Enorme Mobilisierungskraft

Noch kecker legte es eine zweite christliche Kandidatin an: Suha Dejmek kandidierte auf Platz 270 – außer Sichtweite also. Im Tandem bewiesen beide, dass christliche Kandidaten im „roten Wien“ mittlerweile enorme Mobilisierungskraft entfalten: Ledóchowski errang die zweitmeisten Vorzugsstimmen nach dem ÖVP-Listenführer, Finanzminister Gernot Blümel. Dejmek gelang mit 1.168 Vorzugsstimmen eine Sensation. Nach dem Vorzugsstimmen-System, auf das die ÖVP sich und ihre Kandidaten verpflichtet hatte, mussten beide vorgereiht werden und in den Wiener Gemeinderat (Landtag) einziehen. Doch der zarte Beginn einer Art von Persönlichkeits-Wahlrecht wurde jäh zertrampelt: Eine auf Platz 24 gereihte, bei den Vorzugsstimmen eher erfolglose Kandidatin hatte – versehentlich oder vorsätzlich – zwar das ÖVP-Fairnessabkommen, nicht aber die dazugehörige Verzichtserklärung unterschrieben.

Die Parteiführung versuchte im Nachhinein Druck aufzubauen, doch die Kandidatin tauchte einfach unter. Unerreichbar, ja wie vom Erdboden verschluckt sei sie, hieß es aus der ÖVP. „Juristisch gibt es keine Möglichkeit, gegen sie vorzugehen, weshalb ich mein Mandat nicht antreten kann“, resümierte Ledóchowski, nachdem die ÖVP ihr Vorzugsstimmen-System ausgesetzt und die widerborstige Kandidatin aus der Partei ausgeschlossen hatte. Ledóchowski und Dejmek wurden also bei der Wahl Vorzugsstimmen-Sieger, kommen aber dennoch nicht in den Gemeinderat.

Ledóchowski verübelt Vorgang nicht
Im Gegensatz wohl zu vielen seiner Wähler und Anhänger nimmt Ledóchowski den Vorgang der eigenen Partei nicht übel. Blümel und der ÖVP-Spitze sei es „extrem wichtig, dass die vielen Vorzugsstimmen nicht vergeblich gegeben worden sind“. Und vermutlich auch, dass die Wähler der ÖVP nicht Wahlbetrug vorwerfen. Also zieht Ledóchowski zwar nicht ins Wiener Stadtparlament ein, wird aber Sprecher für Christdemokratie in der Wiener Landtagsfraktion. „In dieser Funktion kann ich für all die Anliegen eintreten, die so vielen von uns wichtig sind – und in vielerlei Hinsicht wirkungsvoller als als einfacher Gemeinderat“, sagt er. Seine politische Karriere dürfte gerade erst so richtig begonnen haben.